Prüfbericht

TRANSPARENZ wird bei dem neuen Trierer Stadtkaffee groß geschrieben, daher besuchte Alfons Schramer (Geschäftsführer, Mondo del Caffè) gemeinsam mit Nikolaus Bieger (rural development manager) die drei Haciendas in Kolumbien, auf denen der Rohkaffee für den Trierer Stadtkaffee produziert wird. Seinen Prüfbericht finden Sie hier:

Es sollen 3 Kaffee anbauende Betriebe für den „Trierer Kaffee“ produzieren:

Finca Cocondo – organisch zertifiziert
Standort: Titiribi-Antioquia, 50 km südwestlich von Medellin
Größe 24 ha (davon 10,5 ha Kaffee)
Besitzer: Luis Emilio Velez
Festangestellter: Jorbe Marquez Yepez, 72 Jahre

Hacienda El Encanto
Standort: Hispania (Antioquia), 98 Km südwestlich von Medellin
Größe: 34 ha (davon 26 ha Kaffee)
Besitzer: Die Familia Saldarriaga Velez
Betreibendes Familienmitglied: Luis Fernando Saldarriaga
Festangestellte:
Manager: Andres La Verde, 27 Jahre
Assistent: Luis Hilberto, 25 Jahre

Hacienda La Claudina
Standort: Ciudad Bolivar (Antioquia), -109 Km südwestlich von Medellin
Größe: 18 Hektar (davon 16 ha Kaffee)
Besitzer: Die Familia Saldarriaga Velez
Betreibendes Familienmitglied: Juan Fernando Saldarriaga
Festangestellte:
Manager: William La Verde, 28 Jahre
Auszubildender: Jonny Alexander Manco, 20 Jahre

Die Familie Saldarriaga Velez besteht aus:
Luis Fernando Saldarriaga (Vater)
Lya Ines Velez (Mutter)
Lina Maria Saldarriaga (Tochter)
Carlos Mauricio Saldarriaga (Sohn)
Juan Fernando Saldarriaga (Sohn)

Die festen Mitarbeiter und die Betreiber der Haziendas stehen in gutem, respektvollem Verhältnis. Dies wäre auch kaum anders vorstellbar, da die Angestellten sehr selbständig arbeiten müssen. Dies drückt sich auch in der Entlohnung aus, die deutlich über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt.

Neben den Festangestellten kommen jährlich bis zu 35 Personen zur Saisonarbeit: Kaffeepflücken, Unkraut mit Macheten nieder halten, …

Der gesetzliche Mindestlohn in Kolumbien beträgt: 566.700 Pesos (ungefähr 220 Euro) im Monat.
Dieser wird aus einem sogenannten „Familienkorb“ berechnet. Hierbei werden alle Produkte und Dienste, die eine Familie für einen Mindest-Lebensstandard in Kolumbien braucht berücksichtigt. Dabei wird die gesundheitliche Versorgung und der Zugang zur Bildung berücksichtigt.

Die 3 Haziendas halten sich mindestens an alle Arbeits-Gesetze Kolumbiens.

Entlohnung auf den 3 Haziendas:

Manager: 780.000,00 COL/monatlich (300,00 EUR) 26% über den Mindestlohn, während der Ernte werden 160.000,00 COL/monatlich (61,00 EUR) extra bezahlt (39 % über den Mindestlohn).

Assistent: 600.000,00 COL/monatlich (245,00 EUR) 10% über den Mindestlohn, während der Ernte werden 80.000,00 COL/monatlich (30,00 EUR) extra bezahlt (20 % über den Mindestlohn).

Arbeiter mit Dienstleistungsverträgen: Der Preis hier ist von Aufgabe und dem Zeitaufwand abhängig. Das wöchentliche Gehalt schwankt zwischen 125.000,00 (48,00 EUR/Woche) und 150.000,00 (57,60 EUR /Woche).

Saisonarbeiter (Pflücker): Der Preis wird per kg festgestellt. Der durchschnittliche Preis liegt in 400,00 COP/kg (0,15 EUR/kg). Durchschnittlich pflückt ein Mitarbeiter 120 kg Kirschen am Tag , das macht 960.000,00 COP/Monat (368 EUR/Monat) aus.

Das Pflücken macht etwa 45 % der gesamten Betriebsausgaben aus. Die Mitarbeiter (sowohl die Festangestellten, als auch die Saisonarbeiter) haben kostenlose Unterkünfte auf den Plantagen.

Die gesetzliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt:
8 Stunden täglich von Montag bis Freitag und am Samstag einen halben Tag.
Montag bis Freitags:
Morgens 6h30 bis 8h30 und 9h00 bis 12h00 AM; Pause: 8h30 bis 9h00
Nachmittags: 13h00 bis 16h30; Pause: 12h00 bis 13h00

Arbeiter mit Dienstleistungsverträgen haben keine feste Arbeitszeit. Sie teilen sich ihre Arbeitszeit selbst ein. In den meisten Fällen halten sie sich an die Arbeitszeiten der Festangestellten.

Während der Ernte gibt es eine flexible Arbeitszeit für die festen Angestellten.
Nach dem  kolumbianische Gesetz ist der Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet Überstunden für Mitarbeiter in Führungspositionen zu bezahlen.
Auf den 3 Haziendas werden jedoch außerhalb der normalen Arbeitszeit geleistete Arbeitsstunden als Überstunden mit einem Zuschlag von 25% bezahlt.
Überstunden können nicht mehr als 2 Stunden pro Tag und 12 Stunden pro Woche betragen.

Nur Jugendliche ab 16 Jahren dürfen in Kolumbien arbeiten. Sie dürfen nur leichte Arbeiten verrichten und keine Überstunden machen.

Seit 1993 herrscht in Kolumbien ein Sozialversicherungssystem, das die Renten, Gesundheit und Gefahren am Arbeitsplatz umfasst.
Alle Mitarbeiter, Festangestellten und Saisonarbeiter sollen nach dem Gesetz sozialversichert sein.
Die Haziendas sind verpflichtet allen Arbeitnehmern (Festangestellte, Arbeiter mit Dienstleistungsverträgen, Saisonarbeiter) die Sozialversicherung zu zahlen. Bei Arbeitern mit Dienstleistungsverträgen und Saisonarbeiter wird der Sozialversicherungs-Beitrag mit dem Gehalt bezahlt.

Ich habe meinem Audit die „Kriterien für Unternehmen mit Angestellten“ von RAPUNZEL zugrunde gelegt, da diese besser als die FLO-Kriterien auf die Verhältnisse passen – die Kriterien für organische Produktion ausgenommen, da 2 der 3 Betriebe nicht entsprechend zertifiziert sind.

Neben NPK-Dünger werden jedoch keine künstlichen Stoffe in der Produktion eingesetzt. Der Dünger wird mit organischem Abfall vermischt und auf der Plantage von fachkundigem Personal ausgebracht.

Cocondo ist organisch zertifiziert und ist Mischnutzung. Auf den beiden anderen Haziendas ist der größte Teil der Fläche ausschließlich mit Kaffee angebaut, es gibt jedoch wilde Flächen, um Quellen zu schützen, was zur Biodiversität beiträgt.

Alle Betriebe halten sich an die gesetzlichen Vorgaben für Umweltschutz. Das betrifft auch die Beachtung von geschützten Flächen, und die Abfall- und Abwasserentsorgung. Auf La Claudina wird die Abwasserbehandlung gerade neu gebaut.

Der Kaffeepreis wird zwischen dem Röster und den Kaffee-Produzenten jährlich neu direkt verhandelt, wobei in aller erster Linie die angefallenen Produktionskosten und die vergleichsweise hohe Qualität berücksichtigt werden.
Normalerweise wird in Kolumbien der Börsenpreis zugrunde gelegt.
Einer der Schwachpunkte ist die Sicherheit der Verarbeitungsmaschinerie. Es gibt auf allen 3 Haziendas ungeschützte bewegliche Teile. Das ist gefährlich und muss schnell in Ordnung gebracht werden. Auch muss der Zugang zu den Maschinen für Kinder unmöglich gemacht werden.

Auf El Elcanto sind Anfänge von Wassererosion zu sehen. Es liegt auch im Interesse des Besitzers das Fortschreiten zu verhindern.

Die Festangestellten sollten eine Ausbildung in Erster Hilfe erhalten.

Es gibt keine schriftlichen Arbeitsverträge mit den Arbeitnehmern, das wird von
RAPUNZEL erst später als Entwicklungskriterium verlangt. Dies sollte nachgeholt werden.

Nach den Kriterien von RAPUNZEL sind die Produktionsbedingungen und das Verhältnis zwischen Produzenten und dem Röster als fair zu bezeichnen

Nikolaus Bieger den 15.11.2013